Thema des Monats

 "Der tut nichts!" - "Die machen das schon unter sich aus!"

Kennen Sie das auch? Ihr Hund ist schon älter, hat ein Handicap, hat schlechte oder kaum Erfahrungen gemacht oder ... - und Sie wollen eigentlich nur ganz entspannt spazieren gehen. Nur: immer wieder kommen Ihnen freilaufende Hunde voller Temperament entgegen. Herrchen oder Frauchen bemerken nicht, dass Sie längst Ihren Hund angeleint haben, ausgewichen sind oder abwartend stehen blieben. Und schon schallt es Ihnen entgegen: "Die tun nichts!" - Übersehen werden die Bedürfnisse Ihres Hundes, Ihr berechtigtes Anliegen, fürsorglich Ihren Hund überlastende Begegnungen zu vermeiden oder ruhig zu gestalten. -

 



Vielleicht haben wir alle eine Tendenz, zunächst ganz bei uns zu sein. - Hunden hilft es jedoch, wenn wir uns nicht nur um die Bedürfnisse unseres eigenen Hundes kümmern. Wir sollten es nicht als selbstverständlich annehmen, dass alle Hunde, denen wir begegnen, ohne Probleme einen normalen Hundealltag stemmen können. Unzählige Hunde kommen aus dem Tierschutz. Mancher war zuvor noch nie regelmäßig spazieren und muss erst lernen, mit einer Vielzahl fremder Hunde relaxt umzugehen. Wir können dabei helfen, indem wir Rücksicht nehmen und so die Stressbelastung eines Hundes mit hohem Ruhebedürfnis deutlich senken. Und schon lächelt uns auch das andere Ende der Leine dankbar an :-)

© Carolin Reger

 


 

Nur ein Versehen oder das Fernsehen?

© Carolin Reger

Ein freundlicher Tag Anfang Februar um die Mittagszeit. Ideal für einen Spaziergang, denn um diese Zeit ist in der Regel nichts los. Drei meiner Hunde haben Handicaps und fühlen sich zur „Hunde-Rush-Hour“ nicht wohl. So ziehen wir los, durch den Wald, dann auf das offene Feld. Hier gibt es immer viel zu schnüffeln.

Doch wir sind nicht allein. Mitten auf dem Feld toben vier andere Hunde. Einer rast mit einer Frisbee-Scheibe im Fang umher, ein anderer reitet auf – offensichtlich ein aktionsreicher Ausflug. Kann ich es wagen weiterzugehen?

Soviel Power, Tempo und Adrenalin ist nichts für meine vier: Yala, fast 12, hat nach einer Knie-OP noch immer leichte Probleme, Aqui, 7, hat beidseitige HD, litt vorübergehend unter Epilepsie und ist generell sehr stresssensibel. Und Galga Lillifee, ebenfalls 7, hat es nach einer traurigen Vergangenheit in vielen kleinen Schritten erst lernen müssen, zu Hund und Mensch Vertrauen aufzubauen. Und so liebt sie ruhige Begegnungen, die sie nicht überfordern und denen sie dann angstfrei gewachsen ist. Und tatsächlich gilt das auch für die kleine Coco. Sie ist 5 Jahre alt, gesund, und trotzdem – sie liebt es höflich von Hund zu Hund, also eine ruhige Annäherung, die Zeit gibt für zuvorige Kommunikationssignale.

 

Coco - Aqui - Yala - Lilli

 

Ich leine Lilli der Sicherheit halber an. Die Hundebesitzer haben sich in meine Gegenrichtung in Bewegung gesetzt und so setze ich meinen Weg fort. Der Abstand erscheint groß genug (ca. 100 Meter) und meine Hunde in meiner unmittelbaren Nähe gehe ich ruhig weiter. Plötzlich Stopp. Aqui ist zuerst stehen geblieben – ich schaue nach dem Grund:

Zwei der Hunde rasen auf uns zu. Wie gut, dass Lilli angeleint ist, denn schon will sie flüchten. Ich blicke übers Feld zu den Menschen – ein Pfeifen-Pfiff ertönt. Doch dieser verändert das Verhalten der Hunde nicht. Nicht beim ersten, nicht beim zweiten, und auch nicht beim 3., 4., 5. Mal (und erneut lernen sie gerade, dass sie den Pfiff ignorieren können) … Yala versucht inzwischen, die beiden Fremden bellend abzusplitten, Aqui zeigt Stresssymptome, Coco gelingt es, sich der Situation zu entziehen. Weitergehen ist nicht möglich, denn meine Hunde wollen – verständlicherweise – nicht diese beiden Fremden im Nacken haben, sie lieber im Auge behalten. Kommt denn nun endlich einer der Menschen, um die Hunde abzuholen? Weit gefehlt. Im Gegenteil. Fassungslos muss ich zusehen, wie die Gruppe nach dem Xten Pfiff einfach weitergeht, bis sie außer Sicht ist. Für meinen Geschmack ist das absolut rücksichtslos. Zugegeben: nach den ersten Minuten entspannt sich die Lage, meine Hunde haben erkannt, dass ihnen keine Gefahr droht – doch sie sind körperlich mit den vitalen Besuchern überfordert.

War das nur ein Versehen? Wohl kaum, die Menschen hatten sich ja in Bewegung gesetzt, als ich mit meinen Hunden auftauchte. Ich fand das sehr nett, denn da Lilli angeleint war, nahm ich an, dass sie das als Signal verstanden hätten. Doch dann war ich plötzlich minutenlang allein – mit 6 statt 4 Hunden.

Zurück zum Titel: Ich denke, dies ist kein Einzelfall und auch kein Versehen – sondern das Fernsehen! Mir fällt auf dem Rückweg eine Sendung ein, die Ähnliches als Trainingstipp zum Besten gab: Ihr Hund kommt nicht? Stattdessen mischt er lieber eine Hundegruppe auf? Also dann schnell aufs Fahrrad, in die Pedale was das Zeug hält und außer Sicht gelangen, am Besten sogar verstecken! Dann kommt der Hund schon … Das erscheint mir nun wie das perfekte Abbild des Erlebten.

Das Fernsehen. Einschaltquoten. Geld. Publicity. – Auf Kosten unserer oder anderer Hunde? Leider ja, wie die obigen Beispiele zeigen.

In einer anderen Sendung (ich habe nur drei gesehen, um entspannt zu bleiben) war ein Zuhause mit bodentiefen, fast die gesamte Zimmerbreite einnehmenden Fenstern zum Garten vorgestellt. Ein schöner Garten. Das fanden auch diverse Katzen, die sich hier gern aufhielten und regelmäßig die Fensterfront entlang parlierten. Dass dabei ruhig zu bleiben insbesondere für Jagdhunde eine Herausforderung sein kann, kann man sich denken. Vor allem, wenn dieser Jagdhund aus dem Tierschutz kommt und ein ruhiges Zusammenleben mit Katzen nie kennen gelernt hat. Und so war es wohl auch. Bellen, Aufregung, am Fenster entlang rasen. Zu sehen war dann der gezielte Wurf eines nagel- oder krampenähnlichen Metallteils. Dann war Ruhe. – Eine beeindruckende Lösung?

Sicherlich wurde auch dieser „Tipp“ von vielen angenommen und umgesetzt. Doch das Medium Fernsehen ist tückisch: Wie viel Metall ist denn tatsächlich geworfen worden? Wie lange wurde gedreht? Wie viele Wiederholungen gab es? Wie viele Schnitte und Manipulationen? Wie lange dauerte es tatsächlich, bis der Hund (ein Podenco) beim Anblick der Katzen zumindest äußerlich ruhig blieb? Wir wissen es nicht. Und erfahren es nicht. Das Fernsehen zeigt ausgewählte Bilder, nicht die ganze Wahrheit. Und so ist der Zuschauer gefordert, Gesehenes zu hinterfragen.

Hunde sind bei allen Gemeinsamkeiten doch so unterschiedlich. Wie unterschiedlich die Rassen, die Veranlagungen, die Lebenserfahrungen, der Gesundheitszustand, … Das Fernsehen kann keine individuellen Lösungen anbieten, doch diese sind wichtig. Für jeden Hund. Und Lösungen sollten hundefreundlich sein, wenn sie im Fernsehen gezeigt werden, finde ich. Dem eigenen Hund davon zu laufen, erzeugt Stress in ihm. Ihn mit anderen Hunden allein zu lassen, ist rücksichtslos. Schütteldosen, Würfe mit Metallgegenständen, der Einsatz von Wasserpistolen erzeugen Angst und sind äußerst unangenehm. Zudem können andere als die erwünschten Folgen eintreten!

Ich persönlich lasse meine Hunde nicht mit anderen Hundebesitzern und diese nicht mit meinen Hunden allein. Es liegt in meiner Verantwortung, das Interesse sowohl meiner als auch anderer Hunde und selbstverständlich das Interesse all derjenigen, die bei ihren Freizeitaktivitäten keinen unkontrollierten Hund treffen möchten, zu wahren. Und das ist ja auch nicht schwer, wenn man seinen Hund gut kennt und bereit ist, das Ansehen unserer Hunde in der Gesellschaft positiv zu beeinflussen.

 

Bringen Sie Ihrem Hund ein Aufmerksamkeitssignal bei. - So können Jogger, Radfahrer, ängstliche Hunde etc. ungestört vorbei gehen.

 

Und zum Thema Fenster und Katzen? Wir müssen keine Hunde haben. Doch entscheiden wir uns, einem Vierbeiner ein Zuhause zu geben, sollten wir da nicht vorab überlegen, welche Rasse, welches Alter, welches Wesen etc. ein Hund, der in unser Zuhause passt, haben sollte? Und wenn ich bei dieser Entscheidung Fehler gemacht habe, dann den Hund dafür bestrafen? – Ich hätte in diesem Fall z. B. eine Gardine bis auf Sichthöhe des Hundes angebracht.

Lösungen können kreativ und so einfach sein – aus Liebe zum Hund, und im Bewusstsein der Verantwortung, die wir für unsere Mitlebewesen haben. Wir sind gefragt, nicht das Fernsehen!

 

PS: Yala erlitt ihren Kreuzbandriss, als ein fremder Hund, der über eine Entfernung von 50 Metern Tempo aufgenommen hatte, sie ohne abzubremsen über den Haufen lief. Sie hatte sich splittend vor Lilli gestellt. Der Halter hatte tatenlos zugesehen und wollte sogar einfach weitergehen.